Geschichte im Essener Norden

 

Die Aluminiumhütte an der Emscherstraße in Katernberg
Metallwerk Olsberg GmbH Schmelz - und Hüttenbetriebe

 


Das große Werksgelände der Aluminiumhütte an der Grenze zwischen Katernberg und Altenessen liegt brach. Nur längs der Emscherstraße stehen noch einige Hallen, in denen Autowerkstätten und andere Betriebe tätig sind. Der 95 m hohe Kamin ist von allen Seiten gut sichtbar – wie eine Landmarke. Am oberen Ende ist noch das Firmenzeichen, ein stilisiertes „O“ mit einem Schmelzkübel in der Mitte, zu erkennen.

Zur Geschichte: 1908 hatte Gustav Honsel mit drei Söhnen in Werdohl eine Werkstatt zum Gießen von Aluminium–Bestecken errichtet. Damit sollte der damals neue Werkstoff industriell genutzt werden. Albert Honsel war der jüngste unter 10 Kindern. Nach dem Besuch der Volkschule und Handelschule machte er eine Lehre in einer Metallwarengroßhandlung. Nach dem Weltkrieg war er Angestellter in der Familienfirma, später dann Prokurist und Betriebsleiter. Er wollte aber selbstständig werden. Deshalb  zog er 1925 nach Essen und errichtete ein Verkaufsbüro der Honsel-Werke AG, Meschede. 1933 wurde er Geschäftsführer des Metallwerkes Olsberg GmbH in Katernberg, das bis dahin ein Zweigbetrieb der Honselwerke war.

Die Aluminiumhütte in Katernberg: In diesem  Schmelzbetrieb wurde vorzugsweise Abfall- und Rücklaufmaterial für eine rationelle Metallgewinnung eingesetzt. Durch eine intensive Entwicklung des Schmelzvorganges und völlig neue Verfahren konnte Albert Honsel in seinem Betrieb ein hochwertiges Rohaluminium erzeugen, das er in Barren oder flüssig weiter vermarkten konnte. Er hatte eine hohe Tatkraft und ein großes technisches Einfühlungsvermögen. In den folgenden Jahren wurde Olsberg so zu einem der größten deutschen Leichtmetall-Schmelzbetriebe. Alles wurde genau abgestimmt: vom Eingang des Recyclingmaterials bis zur Auslieferung der Rohblöcke zur Weiterverarbeitung in anderen Werken. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei auf die analytische und technische Prüfung gelegt. Honsel hatte einen guten Ruf in der Leichtmetallindustrie, er erhielt auch von vielen  europäischen Firmen schon bei der Planung Beratungsverträge beim Aufbau ähnlicher Schmelzanlagen. So konnte er sein Wissen auch „vermarkten“.

Auch die kaufmännische und organisatorische Entwicklung war ihm wichtig: Aus der Handelsabteilung seines Werkes gründete er eine eigene Verkaufsgesellschaft mit einem Halbzeughandel. Er war maßgeblich beteiligt an der Gründung der Vereinigung der Deutschen Aluminium-Schmelzwerke. Es wurde eine neue Liste der Standard-Aluminium-Legierungen erarbeitet. Dafür stellte er auch seine Labor- und Analyseeinrichtungen in Katernberg zur Verfügung.

Im zweiten Weltkrieg wurde die Wiederverwendung von Werkstoffen immer wichtiger. Deutschland sollte von Rohstoffimporten möglichst unabhängig werden. Im März 1940 kam ein Aufruf von Herrmann Göring zu einer „Metallspende“ zum Geburtstag des Führers. Es wurden im ganzen deutschen Reich Sammelstellen eingerichtet. Wer besonders viel gesammelt oder gespendet hatte, bekam eine Urkunde des Führers.

Bei dem Recyceln von Aluminium  brauchte man nur 5 % der Energie, gegenüber der Aluminium-Erzeugung aus Bauxit. Der größte Teil des gesammelten Schrottaluminiums sind fast immer Legierungen mit anderen Metallen. Bei Olsberg wurden die Verfahren
im Laufe der Jahre immer weiter entwickelt. In Trommelöfen wird Aluminiumschrott bei  800 °C eingeschmolzen. Um die Verbindung des flüssigen Metalls mit Sauerstoff zu verhindern, muss die Oberfläche mit einer „Salzverbindung“ abgedeckt werden. Dabei entstehen pro Tonne ca 300 Kg Salzschlacke, die weiter verarbeitet wird. Das bei Olsberg erzeugte Aluminium hatte eine hohe Qualität.

Der größte Teil des Aluminiums wurde in der Rüstungsindustrie verarbeitet. Durch das geringe Gewicht gegenüber Stahl war es für den Flugzeugbau besonders wichtig, Mit entsprechenden Legierungszusätzen sind auch die erforderlichen Festigkeiten erreicht worden.

Im Krieg sind viele Mitarbeiter zur Wehrmacht eingezogen worden. Als Ersatz errichtete man zwei Arbeitslager auf der Alu-Hütte: ein Lager mit ca. 30 französischen Kriegsgefangenen und ein Arbeitslager mit ca. 30 Arbeiterinnen und 60 Arbeitern aus dem Osten.  Diese Zahlen gehen aus einem Schreiben von Olsberg an das Arbeitsamt Essen vom 22.11.1948  hervor. Zeitweilig waren  bis zu 150 „Fremdarbeiter“ in der Firma tätig.

In den „Wiederaufbau-Jahren“ lief die Produktion gut an. Aluminium wurde gebraucht. Die Elektroindustrie und die Automobilwerke wie Ford in Köln und VW in Kassel nahmen große Mengen ab. Es gab dann aber auch Probleme: die Bewohner in der Nachbarschaft beschwerten sich immer öfter über üble Gerüche und Staubbelastungen. Der Kamin sollte deshalb auf 65 m erhöht werden. 1988 ermittelte die Staatsanwalt-schaft im Filterstaubskandal:  giftige Schadstoffe waren auf dem Gelände frei zugänglich gelagert worden. Um die  Produktion zu modernisieren, fehlten die Mittel. Fünf Millionen DM wären erforderlich gewesen, aber die Hausbank gab keine Kredite mehr. Sie war in der Vergangenheit mehrfach eingesprungen, aber die notwendigen Verbesserungen kamen nicht zustande. 1993 hatte die Baufirma Bergfort das Recyclingwerk übernommen, um dort Bauschutt zu verwerten. 

Als im Sommer 1993 Bauschutt von der Sternbrauerei zerkleinert worden ist, kam es zur Explosion eines Blindgängers. Zwei Arbeiter sind dabei schwer verletzt worden. In den anliegenden Straßen gab es  schwere Beschädigungen an den Hauswänden. 1994 ist für 10 Monaten eine Versuchsanlage zum Schmelzen von Autoschrott eingerichtet worden. Dabei fielen oft die Staubfilter aus, der Gestank war in der Umgebung nicht mehr auszuhalten. Die Dioxinbelastung nahm zu.  Der Kernbereich Aluminium-Recycling wurde vernachlässigt. Im April 2001 musste Bergfort einen Insolvenzantrag stellen. Die auf 60 Mitarbeiter geschrumpfte Belegschaft verlor den Arbeitsplatz.

Heutiger Zustand: Ein Borbecker Schrotthändler übernahm das Werksgelände. Es sollte zuerst eine Verbrennungsanlage für Giftmüll eingerichtet  werden, dann ein Großbordell und ein Trödelmarkt. Anfang 2008 ist dann im Verwaltungsgebäude eine „professionelle“ Canabis-Plantage entdeckt worden. Seit  2007 soll das 33 773 m² große Werksgelände verkauft werden. Es fand sich aber kein Käufer; Problem: Im Boden sind Altlasten vorhanden – die Entsorgung ist sehr aufwendig und teuer.


Quellen - Auswahl
Albert Honsel: In Lebensbilder aus dem Rheinisch – Westfälischen Industriegebiet von Fritz Pudor, Jahrg.1958 / 59  Düsseldorf 1962
Einen Katalog über die Metallwerke mit Fotos und Produktionsprogramm. Ausgabe Anfang der 1990 Jahre.
Archiv Werner Bussick: Viele Pressartikel / WAZ -NRZ -Nordanzeiger von 1986 bis 2012 /  Schriftverkehr + Fotos
Arolsen Archives – International Center on Nazi Perscutuion, 34454 Bad Arolsen / Listen + Schriftverkehr
Foto. Nr. 3655 / 10.02.2020 G.N.


16.03.2020  Altenessener Geschichtskreis.      Werner Bussick, Günter Napierala