Geschichte im Essener Norden

 

„ Wählt Thälmann “
Wahlwerbung von 1932 an zwei Häusern an der Röckenstraße in Katernberg

 

„Wählt Thälmann“ ist eine Aufschrift an zwei Hauswänden von Bergmannshäusern der Zeche Zollverein an der Röckenstraße in Katernberg–Beisen. Sie ist zur Zeit der Reichspräsidentenwahl von 1932 mit Teerfarbe auf das Ziegelmauerwerk aufgemalt worden. Die Teerfarbe ist tief in die Ziegelsteine eingedrungen und hat die Nazi-Zeit und die Nachkriegsjahre überstanden. In den 1980 er Jahren ist der Schriftzug durch eine Flugblattverteilerin der DKP zufällig entdeckt worden, nachdem die Sträucher vor den Häusern entfernt worden sind. Die Essener DKP-Gruppe stellte den Antrag, diese Inschrift unter Denkmalschutz zu stellen. In der Bezirksvertretung VI gab es eine lange, sehr heftige Diskussion um die Denkmalwürdigkeit dieser „Wahlwerbung“ als historisch schutzwürdiges Dokument. Alle Parteien waren dagegen, nur die Bürgerliste Nord stimmte dafür. Nach einem langen Prüfverfahren ist festgestellt worden, das die Inschrift  wirklich aus den 1930 -Jahren stammt und es sich nicht um ein in neuerer Zeit aufgemaltes Graffiti handelt. Das Rheinische Amt für Denkmalpflege hat diese Wahlwerbung ais ein seltenes Zeitdokument anerkannt.  2002 hat die Stadt Essen die Inschrift am Haus Röckenstraße 15 in die Denkmalliste aufgenommen. Sie gilt als Zeugnis für die kämpferischen Auseinandersetzungen der politischen und sozialen Verhältnisse um 1930 in den Zechensiedlungen in Katernberg, Stoppenberg und Altenessen. Die Aufschrift am Haus Röckenstraße 5 ist nicht mehr vorhanden, sie ist durch einen weißen Putz überstrichen worden.

Das Foto ist vom 10.Februar 2008

Die KPD hatte in den Gemeinden Altenessen, Stoppenberg, Katernberg und Kray bei allen Wahlen von 1919 und 1932 einen Stimmenanteil von 35 bis 40 % erzielt.  Im Segeroth waren es oft über 45 %. 1929 hatte die Arbeitslosigkeit in Deutschland einen Höchststand von 44 % erreicht. Es herrschte blanke Not, es fehlte das Geld, um die Lebensmittel für die tägliche Ernährung zu kaufen.  Die Wahlkämpfe in diesen Jahren waren immer von Unruhen begleitet. Die einzelnen Parteien hatten bewaffnete „Kampfgruppen“ gebildet, um ihre Versammlungen vor Angriffen zu schützen.  Es kam zu Kämpfen der Gruppen gegeneinander mit Verletzten und Toten. Der Staat griff auch ein: in Altenessen am Karlsplatz ist eine von der KPD veranstaltete Protestversammlung arbeitsloser Arbeiter von der Polizei mit Gummiknüppeln auseinandergetrieben worden.  Kaplan Carl Klinkhammer gelang es, die Situation etwas zu beruhigen, in dem er die Arbeiter aufforderte, sich in der Bäckerei am Karlsplatz auf seine Rechnung Brötchen zu kaufen.


Ernst Thälmann war von 1925 bis 1933 Vorsitzender der KPD in Deutschland. Er wurde am 16. April 1886 in Hamburg geboren. Die Eltern hatten ein kleines Geschäft mit Gemüse, Kohlen und einem Fuhrwerk. Er sagte später: ohne Lohn musste ich viele Jahre zu Hause mitschuften.  Es kam zum Streit in der Familie, deshalb zog er als 16-Jähriger aus und suchte eine Arbeit als „Ungelernter“ im Hafen. Später fuhr er als Heizer auf einem Frachter nach Amerika. In der Nähe von New York war er für eine kurze Zeit als Landarbeiter tätig. Nach der Rückkehr in Hamburg arbeitete er als Kutscher für eine Wäscherei. 1915 wurde er eingezogen, war Kanonier an der Westfront, wurde zweimal verwundet. Im Oktober 1918 kehrte er nach einem Heimaturlaub nicht mehr an die Front zurück.

Thälmann trat schon 1903 als 17-Jähriger der SPD bei. 1904 wurde er auch Mitglied beim Zentralverband der „Transportarbeiter“. Er unterstütze „Massenstreiks“ zur Durchsetzung politischer Forderungen der SPD. Nach dem Krieg war er am Aufbau des Arbeiter- und Soldatenrats in Hamburg beteiligt. Als sich 1916 die SPD spaltete und einen radikalen Flügel, die „USPD“ – die Unabhängige SPD, bildete, schloss er sich dieser Gruppe an. Daraus ist später die KPD entstanden. Thälmann war ein geschickter Agitator, unter seinem Einfluss traten in Hamburg 98 % der SPD-Mitglieder der KPD bei!

Thälmann stieg in der Parteihierarchie auf: er wurde Reichstagsabgeordneter, Vorsitzender des Rot-Front-Kämpferbundes und nach vielen innerparteilichen Auseinandersetzungen am 1. September 1925 zum Vorsitzenden der KPD gewählt. Er brachte die Partei auf einen strengen internationalen von Stalin beeinflussten Kurs. Bei den Reichspräsidenwahlen 1925 kandidierte er neben Hindenburg und Wilhelm Marx. Er bekam im zweiten Wahlgang 6,4 % der Stimmen. Man hatte ihm später vorgeworfen, seine Kandidatur habe das Stimmenverhältnis zwischen Hindenburg und Marx zugunsten Hindenburgs beeinflusst. Bei der Wahl 1932 kandidierten Hindenburg., Hitler und Thälmann. Gewählt wurde Hindenburg mit 53.1 % der Stimmen. Thälmann bekam 10,2 %.

Am 30. Januar 1933 wollte Thälmann die Machtübernahme der NSDAP mit einem Generalstreik stoppen. Doch dazu kam es nicht mehr. Am 3. März 1933 ist Thälmann in Berlin verhaftet worden. Nach vielen Verhören und Misshandlungen durch die Gestapo im Gerichtsgefängnis Hannover kam er später auch in Bautzen in Haft. Am 17. August 1944 wurde er in das KZ Buchenwald gebracht und auf Befehl Hitlers erschossen.

In der DDR ist Thälmann hoch geehrt worden. Straßen, Schulen, Siedlungen, Pioniergruppen und auch Industriebetriebe sind nach ihm benannt worden.
In Buckau bei Magdeburg hatte 1855 der Ingenieur Gruson eine Maschinenfabrik gegründet; die1893 von Krupp übernommen wurde. Ein wichtiger Geschäftszweig war der Kriegswaffenbau, bis zum Kriegsende 1945 sind dort Panzer gebaut worden.  Nach dem Krieg wurden die noch die vorhandenen Maschinen demontiert und nach Russland gebracht  Die Firma  Krupp-Gruson wurde in  „Ernst Thälmann“ umbenannt. 1969 entstand daraus das „VEB Schwermaschinenkombinat Ernst Thälmann“ – Markenzeichen „SKET“, mit über 30 000 Mitarbeitern. Nach der Wende ist das Kombinat durch die „Treuhand“ aufgeteilt und verkauft worden. Als ich zum ersten Mal 1990 in Magdeburg dort zu Gesprächen im Bereich Walzwerksbau gewesen bin, war in vielen Büros noch die alte „Krupp–Einrichtung“ vorhanden. Viele Nachfolgefirmen  der VEB  in Magdeburg haben  noch das Logo „SKET“ behalten. So hat der Name des Kommunistenführers Ernst Thälmann die Zeiten überstanden.


03.04.2017 Günter Napierala, Altenessener Geschichtskreis