Geschichte im Essener Norden

 

Erinnerungen an Werner Bussick – ein Nachruf

 

Werner Bussick ist im Alter von 82 Jahren am 15. November 2020 nach langer, schwerer Krankheit gestorben. Zeitlebens war er vielfältig gesellschaftlich interessiert und engagiert. Insbesondere lag ihm die Geschichte und das soziale Leben in Altenessen und im Ruhrgebiet am Herzen.

Werner Bussick war ein „Altenessener Urgestein“: 1938 in Altenessen geboren und in der Barkhofsiedlung aufgewachsen, hat er sein ganzes Leben dort gewohnt. Er konnte viel erzählen: aus der Jugend, der Zeit nach dem Krieg und den Wiederaufbaujahren. Geschichte war für ihn nicht nur Hobby, sondern auch eine Verpflichtung gegen das Vergessen.

Vor mehr als 40 Jahren war er einer der Sprecher der Initiative gegen den Abriss der Barkhofsiedlung, einer alten Bergarbeiter-Siedlung. 1976 begann der Kampf und erst Jahre später war es ein großer Erfolg, dass wenigstens Teile der Siedlung erhalten wurden. Werner Bussick wohnte gerne in dieser Kolonie mit ihrer Vielzahl von BewohnerInnen aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands und Europas, die teilweise noch an Resten alter Volkskultur ihrer früheren Heimat festhielten. Das interessierte ihn auch historisch.

Werner Bussick engagierte sich auch gegen die Umweltschäden durch die Alu-Hütte Olsberg. Auf der Alu-Hütte an der Emscherstraße wurde Aluminium-Schrott geschmolzen. Dabei kam es zu erheblichen Umweltproblemen. Werner Bussick bekam in seinem Haus im Leseband alles direkt mit. Er kannte die Eigentümer und Betriebsleiter persönlich und war auch auf der Hütte zu Gesprächen über die Probleme dabei: Säcke mit Filterstäuben, die einfach herumlagen, verpestete Atemluft aus dem Kamin, viele Störfälle, die Autoschrottschmelze und vieles andere. Auf einer Bürgerversammlung am 23. März 2007 hielt er einen langen Vortrag über die vielen „Olsberg-Umwelt-Probleme“.

Zudem war er u.a. aktiv in der Gewerkschaft, in der Kirchengemeinde und beteiligte sich aktiv als Bürger an der Entwicklung des Stadtteils Altenessen. Und er war kritisch, wenn ihm etwas nicht passte! So war er berühmt und berüchtigt dafür, dass er die Bürgerfragestunde der Bezirksvertretung V (Altenessen, Karnap, Vogelheim) nutzte, um den Finger in die Wunde zu legen, wenn Beschlüsse nicht eingehalten wurden oder wenn die Verwaltung meinte, die BürgerInnen im Essener Norden ließen sich alles gefallen.

Seit seiner Gründung im Jahr 1983 arbeitete Werner Bussick im Altenessener Geschichtskreis auf Zeche Carl mit. Wie er sagte, war es für ihn eine gute Möglichkeit, sein Interesse an Sozialgeschichte und an Heimatgeschichte zu verbinden. Unsere Themen, die meistens in Ausstellungen und Diskussionsabenden mündeten, waren u.a.:

  • Das Grubenunglück auf Schacht Fritz am 26. Juli 1942 (1984)
  • Altenessen vor 40 Jahren (1985)
  • 100 Jahre Altenessener Sportgeschichte (1986/1987)
  • Jüdisches Leben in Altenessen (1988)
  • Von der Markgenossenschaft zur IBA-Emscher-Park (1989)
  • Altenessen – Industrie, Natur, Kultur (1990/1991)

Letzteres war der Titel eines geschichtlichen und zukunftsweisenden Spaziergangs durch Altenessen. Hier hat sich Werner Bussick immer wieder als kundiger Geschichtenerzähler erwiesen. Aktualisiert wurde dieser Rundgang auch in einem Buch (1996) veröffentlicht.


Auf diesem Foto vom 9. September 2001 sehen wir Werner Bussick bei einer Führung zum Denkmaltag, die auf Zeche Carl begann und über eine ehemalige Bahntrasse zum Bahnhof Altenessen-Nord, den Nordfriedhof, am Nordbad vorbei zur Barkhofsiedlung führte. Er erzählte von der Bergbaugeschichte, die Altenessen in wenigen Jahren vom „Bauerndorf“ in eine Industriegemeinde veränderte, über die Probleme, den Malakowturm als Industriedenkmal zu erhalten. Es wurden viele Fragen gestellt, die Werner Bussick geduldig beantwortete.

Der Geschichtskreis hat alle Stolpersteine in Altenessen erfasst, fotografiert und beschrieben. Der erste Stein wurde am 15.11.2005 für den Kommunisten Karl Hoffmann auf der Heßlerstraße verlegt. Hoffmann wurde 1934 wegen Hochverrat verhaftet, zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt und von den Nazis in Münster totgeschlagen. Für diesen Stolperstein hatte sich Werner Bussick persönlich eingesetzt. Er war bei der Verlegung dabei und konnte auch viel über die Familie Hoffmann erzählen.

Sein ganz besonderes Interesse galt dem „Gehöft Barkhof“, das nur hundert Meter von seiner Wohnung im Leseband gestanden hatte. Der Hof war für ihn ein Zeichen für die „bäuerliche Vergangenheit“ von Altenessen / Katernberg. Er hat seine Geschichte erforscht und noch vorhandene Fotos sorgsam bewahrt. Als die Reste des Hofes 1969 abgerissen wurden, sind einige Balken des Fachwerks im Ruhrmuseum eingelagert worden. 2018 wurde in der Gruga ein Bauernhof neu errichtet, dabei wurden diese alten Balken an der Vorderseite des Hofes mit eingebaut. Zur Einweihung am 11. Oktober 2018 war Werner Bussick als Ehrengast eingeladen und begrüßt worden. Im Bauernhof hängen Informationstafeln zum bäuerlichen Leben. Auf einer Tafel ist die „Barkhof-Geschichte“ beschrieben mit vielen Informationen und Fotos aus der „Sammlung Bussick“. Er war sichtlich stolz, dass er so viel Material bereitstellen konnte! Es war das letzte Mal, dass er mit uns an einer Veranstaltung teilnehmen konnte.

Wegen der Pandemie konnten Werner Bussick nur wenige Menschen auf seinem letzten Weg zum Nordfriedhof begleiten. Das letzte Geleit hätte für diesen gradlinigen, ehrlichen, aber auch eigensinnigen Kämpfer für ein besseres und gerechteres Leben in normalen Zeiten anders ausgesehenen.

Wir vermissen ihn sehr!


Essen im März 2021

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